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Munich Herz Jesu Church (2010)

Die Kirche ist ein einfacher gläserner Quader mit einer blauen Front und (halb-)transparenten Seiten. (16 Meter Höhe, 21 Meter Breite und 48 Meter Länge). Konstruktiv handelt es sich um ein Stahlskelett mit abgehängter Glasfassade. Innerhalb dieses Glaskastens befindet sich, unverbunden, ein weiterer, hölzerner Kubus, in den seitlich durch über 2.000 senkrecht stehende Holzlamellen je nach Sonnenstand unterschiedlich stark Licht einfällt, wobei die Helligkeit zum Altar hin kontinuierlich zunimmt

Als Kontrast zum lichtdurchfluteten Vorderbereich ist die Rückwand des Emporenkastens in tiefem Schwarz gehalten. Nur die silbernen Pfeifen der Woehl-Orgel, die sich über dem Eingang der inneren Hülle befindet, heben sich optisch von der Dunkelheit ab. Das Instrument wurde drei Jahre nach der eigentlichen Kirchweihe, am 11. Oktober 2003, geweiht und verfügt über drei Manuale mit 61 Registern. Eingefasst ist die Orgel in einen Kasten aus gerauchter Eiche, der als Schallkörper dient.

"Die Ikonographie der monumentalen blauen Tore hat programmatischen Charakter. Der Glaskünstler Alexander Beleschenko schuf auf den 432 blauen Glasfeldern des Hauptportals ein Alphabet aus Nägeln, in Anklang an die Kreuzigung und die Wunden Christi. Für jeden Buchstaben des lateinischen Alphabets kreierte er eine eigene Nagelkonfiguration und "bedruckte" damit die quadratischen Glasfenster." Späth

"Wer die Kirche betritt, wird von einem Innenraum empfangen, der sich durch klare Linienführung und edle Materialien auszeichnet. Wohltuend und transparent reduziert der Raum auf das Wesentliche. (...) Ein Äußerstes an Achtsamkeit und ein Gespür für das versteckte Detail wird dem Betrachter abverlangt. Aber wer sich auf die Entdeckungsreise einläßt, wird alsbald ins Staunen kommen." Späth

"Die Herz-Jesu-Kirche im Münchner Stadtteil Neuhausen dagegen steht einzigartig da. Für sie gab und gibt es kein Vorbild in der gesamten Kirchenarchitektur." Theologische Deutungen und Reflexionen von Pfarrer Hans Späth (im weiteren: Späth)

"Der Kirchenraum selbst wird durch zwei ineinander gestellte Hüllen mit gegenläufigen Materialeigenschaften geprägt. Die blickdichte, aber lichtdurchlässige äußere Glashülle verändert und veredelt den Lichteinfall und gibt der Fassade eine kristalline Materialität. Die innere Hülle aus hellen Ahornholzlamellen bildet den Geborgenheit verströmenden Kirchenraum." Architekten Allmann, Sattler und Wappner über die Herz-Jesu-Kirche

An der Holzwand der Vorkirche hängt das Kruzifix des Münchener Bildhauers Karl Knappe. Knappe hatte es bereits 1960 für die Vorgängerkirche geschnitzt, die allerdings 1994 einem Brand zum Opfer fiel. Glücklicherweise befand sich das Kruzifix zu jener Zeit in der geschützt gelegenen Marienkappelle und konnte auf diese Weise noch vor den Flammen gerettet werden.

Da es einen gewissen Aufwand erfordert, die monumentalen Kirchentore per Hydraulik-Antrieb zu öffnen, geschieht dies nur zu besonderen Anlässen und Hochfesten. Im Alltag dienen zwei Schlupftüren als Eingang für Gemeindemitglieder und Besucher.

"Zusammengesetzt ergeben die Nagel-Buchstaben Texte der Johannespassion nach der deutschen Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Die Wahl der Johannespassion ist nicht zufällig. Schließlich liegt die biblische Fundierung der Herz-Jesu-Verehrung in jener Verszeile, die ausschließlich der Johannesevangelist überliefert." Späth

"Der Glockenturm als Stahlkonstruktion mit 37 m Höhe ist freigestellt und rückt nahe an die benachbarte Lachnerstraße heran. Die fünf Glocken mit dem Westminstergeläut sind in einer hölzernen Glockenstube untergebracht. Analog zu den Materialmetamorphosen des Kirchenbaus ist der Turm mit sich nach oben hin verdichtenden, mehrfach überlagerten Metallgeweben verkleidet." Die Architekten Allmann, Sattler und Wappner über die Herz-Jesu-Kirche

"Im Umgang zwischen der gläsernen und hölzernen Raumhülle sind in Leuchtbildkästen 14 fotographische Aufnahmen der Via dolorosa in Jerusalem zu sehen: verschmierte Wände, Straßenhändler, gelangweilte Passanten, neugierige Touristen, Souvenirs, gedrängte Pilgermassen, sogenannte heilige Stätten also, wie sie sich als Touristenattraktion des Orients in ihrer krassen Banalität und stupiden Degeneration dem Besucher darbieten." Theologische Deutungen und Reflexionen von Pfarrer Hans Späth

"Die in ihrer Gesamthöhe von vierzehn Metern portalgleiche Südfassade bildet, wenn sich die Tore hydraulisch zum Kirchplatz öffnen, eine faszinierende Geste der Einladung. Offenheit ist angesagt, Empfang und Willkommen. Katholizität in seiner reinsten Form, nämlich allumfassende Aufnahmebereitschaft gegenüber allen, die in Christus den Weg, die Wahrheit und das Leben suchen, wird signalisiert." Theologische Deutungen und Reflexionen von Pfarrer Hans Späth

"Daß sich das Bildprogramm von Herz Jesu so dezent in den Hinter- bzw. Untergrund zurückzieht, verleitet zu der Annahme, es sei eine bilderlose Kirche. Für den Innenraum prima facie ist dies durchaus zutreffend und beabsichtigt. (...) Licht und Wärme nehmen den Besucher in Empfang und lassen ihn eine Atmosphäre erleben, in der sich Gottesdienst mit dem Raum und getragen von ihm, aber nicht gegen den Raum feiern läßt." Späth

Im Vordergrund der Altarrückwand befindet sich der Tabernakel, eingebettet in ein Metallgespinnst aus Tombak [eine kupferhaltige Messinglegierung]. Damit entspricht sein Standort einer klassischen, für den Kirchenbau vorgegebenen Empfehlung: Der Aufbewahrungsort der gewandelten Hostien solle in einem eigenen Raumteil in der Nähe des Altarbereich liegen.

"Die Scheu, es könnten sich auch Nichtrechtgläubige angezogen fühlen, beschleicht nach wie vor manchen. Es bleibt zu hoffen, daß sie sich eines Tages legt. Zugegeben: In der Phase des unkontrollierten Andrangs kurz nach der Weihe wurde mir als Pfarrer zuweilen schwindlig angesichts der neugierig anstürmenden Besuchermassen. Erleichterndes Aufatmen nach den ersten Monaten, daß es der Kirche nichts anhaben konnte." Theologische Deutungen und Reflexionen von Pfarrer Hans Späth

"Eine Hülle aus hellem Beton, auf Rundstützen in den Raum gestellt, enthält den Raum für Sängerempore und Orgel. Der Raum unter der Empore ist gedrungen und verschattet, Marienverehrung, Beichte und Krippe sind dort eingebaut. Betritt man den Kirchenraum, steigert sich der Raumeindruck zu einer lichterfüllten immateriellen Stimmung durch die Lichtintensivierung hin zum Altar." Allmann Sattler Wappner, Architekten der Herz-Jesu-Kirche

Der Altar, sakraler Mittelpunkt der Kirche, wächst als Monolith mit der Altarerhöhung aus der Natursteinplatte aus Kalkstein heraus. Die Fuge zwischen Basis und Mensa ist vergoldet. Ambo und Priestersitz sind aus Holz gestaltete Orte der Liturgie. Tabernakel, ebenso wie die Marienverehrung, sind ebenfalls in ein Metallgespinnst aus Tombak eingebettet. Architekten Allmann, Sattler und Wappner über die Herz-Jesu-Kirche

"In unserer Zeit totaler Reizüberflutung, da es ungeheuer schwierig geworden ist, die Zeichenhandlungen der Liturgie in ihrer Fülle wahr- und aufzunehmen, schenkt der Raum dem liturgischen Geschehen seine volle Achtsamkeit. Was für die liturgischen Zeiten gilt, gilt ebenso für die liturgiefreien. Das Kircheninnere ist dank der Lichtfülle, der Geborgenheit und der Klarheit der Formen eine einzige Einladung, sich spirituell ergreifen und in die Tiefe führen zu lassen." Späth

"An fünf verschiedenen Stellen in den Kirchenboden eingelassen sind tiefe Kammern mit quadratischen Öffnungen. Der Betrachter blickt durch ein kleines in den Boden eingefaßtes Sichtfenster nach unten in das von hellem Licht erleuchtete Innere der Kammern. Je eine Glasplatte mit einem Motiv der fünf Wunden Jesu, senkrecht eingestellt, zeigt sich dem Betrachter. Viermal handelt es sich um das Nagelwundenmotiv, einmal um das Herz-Jesu-Motiv. " Späth

"So radikal bilderlos wie immer behauptet, ist die neue Herz-Jesu-Kirche nicht. Neben der Darstellung der fünf Wunden ist auch der Ort der Marienverehrung bildnishaft in Szene gesetzt. Das Gemälde ist in München um 1500 entstanden. Sein Meister stammt aus der Werkstatt des Jan Polack. (...) In Herz Jesu fand es seinen Platz unter der Orgelempore und zieht sofort am Eingang den Blick des Besuchers auf sich." Späth

Die katholische Pfarrkirche Herz Jesu in München-Neuhausen wurde in den Jahren 1997 – 2000 nach den Plänen des Münchner Architekturbüros Allmann Sattler Wappner neu errichtet. Der Vorgängerbau war im Jahr 1994 durch einen Brand zerstört worden.